Auf einen Blick
- Flyer droht Produktionsverlagerung ins Ausland
- Mitarbeiter in Huttwil sind schockiert über mögliche Massenentlassungen
- 170 Arbeitsplätze in Huttwil betroffen
Schock am Flyer-Hauptsitz in Huttwil BE: Die deutsche Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft eG (ZEG), Eigentümerin der Flyer AG, hat ein Konsultationsverfahren eingeleitet. «Es wird geprüft, die Verwaltung auf ein Minimum zu reduzieren, die Produktion in Zukunft ausserhalb der Schweiz anzusiedeln und Synergien innerhalb der Gruppe zu nutzen», heisst es in einer Mitteilung des Unternehmens, die Blick vorliegt. Dies sei eine Reaktion auf die «weiterhin schwierige Marktsituation in der Fahrradbranche». Eine erneute Restrukturierung von Flyer sei notwendig, ein «unumgänglicher betriebswirtschaftlicher Schritt».
Die Betroffenheit unter den 170 Mitarbeitenden in Huttwil ist gross, wie Blick von Angestellten erfahren hat. Das Personal wurde heute Mittwoch durch die Firmenleitung über das Konsultationsverfahren informiert. «Wir sind schockiert, dass schon wieder eine neue Restrukturierung notwendig ist», heisst es bei den Mitarbeitenden weiter.
Blick besuchte im September 2024 die noch grösste Schweizer Veloproduktion in Huttwil. Damals kündigte CEO Andreas Kessler an, den Schweizer E-Bike-Pionier nach einer Massenentlassung im Vorjahr wieder zum Fliegen zu bringen. «Wir sind am tiefsten Punkt im Tal der Tränen angelangt. Die Frage ist jetzt, wie breit das Tal ist», sagte Kessler zu Blick. «Die Sorge ist unbegründet, die Krise ist durchgestanden. Und wir sind immer noch da, am Standort Schweiz wird festgehalten».
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Geht die Produktion nach Deutschland?
Jetzt droht die Produktionsverlagerung nach Deutschland oder in Billiglohn-Länder. Kessler ist für ein Statement nicht zu erreichen. Laut Informationen von Blick wurde er vom Mutterhaus in Deutschland überrascht und vor vollendete Tatsachen gestellt. Denn noch vor ein paar Wochen präsentierte er in St. Gallen vor einem Fachpublikum Flyer-Neuheiten für 2025 und eine tiefergehende Partnerschaft mit Bosch.
Die Pressestelle von Flyer beantwortet keine weiteren Fragen und verweist an die Eigentümerin in Deutschland. «Im Zuge der geplanten Restrukturierung wird der Stellenabbau grosser Teile der aktuellen Belegschaft geprüft», kündigt ZEG in der Mitteilung an. Eine Massenentlassung droht. Derweil bangt der Grossteil der Beschäftigten, überwiegend Angestellte in der Produktion aus der Umgebung, um ihren Job.
Was geschieht mit dem Mega-Werk in Huttwil?
Nun läuft das Konsultationsverfahren. «Die Geschäftsleitung der Flyer AG bedauert die aktuelle Entwicklung ausserordentlich. Sollte es zu Entlassungen kommen, werden die betroffenen Mitarbeitenden mit einem Sozialplan unterstützt», lässt die ZEG mit Sitz in Köln mitteilen. Weitere Kommentare würden keine abgegeben. Dennoch werden Durchhalteparolen ausgegeben: Man versuche mit allen Mitteln, die Eigenständigkeit als Schweizer Unternehmen zu erhalten. Es dürfte darauf rauslaufen, dass in Huttwil lediglich Verwaltung, Vertrieb und die Kreativabteilung verbleiben werden. Es dürften von den 170 lediglich gegen 20 Jobs übrig bleiben, so ein Insider zu Blick. Was mit dem immens grossen Werk mit mehreren Produktionslinien passiert, kann derzeit niemand in Huttwil sagen.
Fakt ist: Die E-Bike-Branche kämpft mit Überkapazitäten: Seit dem Ende der Corona-Pandemie habe es bei den Fachhändlern einen «Überbestand an E-Bikes ohne Ende», die Lager seien immer noch voll, sagt ein Insider zu Blick. Im Gegensatz zu Konkurrenten verkauft Flyer seine E-Bikes nur über Fachhändler: 1200 in Europa, 240 in der Schweiz. Sie dürften nun mit zahlreichen Anfragen von besorgten Flyer-Stammkunden konfrontiert sein.